„Wir machen das mit agilem Projektmanagement“. „Wir haben zu starre Strukturen. Dann machen wir das ab jetzt agil“. „Wir sind mitten in einer digitalen Transformation, wir arbeiten jetzt agil“. Agil, ist seit Jahren ein Dauerbrenner. Mir scheint, dass es heute so gefragt ist wie noch nie. Mir kommt das nur so vor, da ich damit zumindest in meiner Internet-Blase kontinuierlich konfrontiert werde. Was in meiner Wahrnehmung bei agiler Umsetzung oft zu kurz kommt, ist einer der wichtigsten Pfeiler des agilem Mindsets. Wie wollen wir kontinuierlich besser werden, wie wollen wir als Team noch harmonischer und effizienter zusammenarbeiten und wie soll jeder Einzelne seine Stärken weiter entwickeln ohne Feedback? Die agilen Frameworks haben hierfür einen Rahmen geschaffen, die Retrospektive. Die Retrospektive ist nicht nur für agile Projekte, sondern für jeden Einzelnen relevant.

Es startet mit der Selbstreflexion

Ich komme morgens ins Büro und meine erste Handlung ist, mir zu notieren, was meine wichtigsten Tasks für heute sind. Hierzu schaue ich nach, welche ich gestern ggf. nicht fertiggestellt habe. Meistens gleiten somit meine Gedanke direkt in die Erledigung der Todos und weniger in die Selbstreflexion (Retrospektive). Gehts es dir auch so? Beschäftigst du dich auch mehr mit den Dingen die anliegen, als zu hinterfragen, was in letzter Zeit gut, bzw. nicht so gut lief?

Feedback ist gefragt

Um ehrlich zu sein, ich mache viele Retrospektiven. Ich hinterfrage viele meiner Aufgaben, Meilensteine oder sogar nächste Schritte. Auch beschäftige ich mich viel mit der Evaluation meiner Stärken, welche es sind und wie ich sie am geeignetsten für mich und meinen Arbeitgeber einsetzen kann. Mittlerweile kennen ich meine Stärken recht gut. Zumindest denke ich das. Für meine persönliche Retrospektive fehlen mir oft zwei Dinge. Zum Einen echtes, ehrliches und konstruktives Feedback. Dies sowohl positiv als auch negativ. Nur wenn ich ein 360 Grad Feedback bekomme, kann ich mir ein Gesamtbild meiner Aussenwahrnehmung erstellen. Das Zweite ist, dies methodisch zu tun. Nicht selten beginnt man nur mit einer Retrospektive (direkt oder indirekt). Diese wird aber nicht abgeschlossen oder nur oberflächlich durchgeführt. Möglicherweise wird eine Retrospektive auch vorzeitig gestoppt, da plötzlich vermeintlich wichtigere Aufgaben anliegen. Bzgl. der Methodik, können wir zusammen etwas erarbeiten. Um an das Feedback zu kommen, ist jeder selbst gefragt, mit seinen Kollegen das offene Gespräch zu suchen.

Schreib es auf

Ein genereller und einfacher Tipp ist, wenn dir etwas in den Kopf kommt was dich belastet oder länger beschäftigt, schreib es auf. Nicht selten kommen einem Gedanken, die von dem aktuellen Ziel komplett den Fokus wegziehen und die vollständige Aufmerksamkeit fordern. Dem kann man etwas entgegenwirken, in dem man es sich notiert. Schreib es in deine Kladde, Notizblock oder auf den letzten Einkaufszettel in deinem Portmonee. Wichtig ist, dass du nun weißt, du musst nicht mehr daran denken, da du den Gedanken notiert hast. So kannst du eine Reihe von Gedanken, die dir wichtig sind, für eine konkrete Retrospektive sammeln.

Retrospektive in vier Phasen

Einstimmen

Bevor die eigentliche Retrospektive beginnt, sollte man sich selbst (persönliche Retrospektive) oder das Team darauf einstimmen. Es empfiehlt sich vor der Retrospektive Bezug zu einer bestimmten Situation, zu einem bestimmten Zeitpunkt oder zu einem Zeitraum zu nehmen. Wichtig hierbei ist, dass es für alle klar ist, zu was sie nun Feedback geben.

Daten sammeln

Die Retrospektive beginnt mit dem Sammeln von Daten. Dies können persönliche Gefühle sein, konkrete Ergebnisse oder subjektive Eindrücke. Diese kannst du entweder für dich persönlich auf einem Blatt Papier, oder im Team auf Post-Its sammeln. Ein Tipp: Wenn du diese im Team auf Post-Its sammelst, lass bitte Immer nur ein Thema auf einen Post-Its schreiben. Wenn zu viele Punkte auf einem Zettel stehen, kann man diese im Nachgang nur schwer Clustern.

Retrospective Overview - Sketchnote - VITAMINP.info

Retrospective Overview – Sketchnote – VITAMINP.info

Folgende Fragen, können bei der Datenerhebung eine Hilfestellung geben:

  • Gut: Was lief gut? Welchen Prozess, welches Vorgehen wollen wir beibehalten?
  • Steigern: Was wollen wir künftig mehr machen, was wollen wir verstärkt tun?
  • Nicht gut: Was lief nicht so gut? Mit was haben wir schlechte Erfahrungen gemacht?
  • Vermeiden: Was wollen wir zukünftig reduzieren oder gar stoppen?
  • Experiment: Wollen wir zukünftig etwas ausprobieren? Wollen wir z.B. mit einer Methode oder Tool ein Experiment wagen?

Einsichten gewinnen

Die gesammelten Daten werden nun zu Insights. Ein klassisches Vorgehen ist, diese sinnvoll zu Clustern (Gruppieren). Ihr könnt als Team die einzelnen Post-Its zu Gruppen zusammenfassen. Oder ein Einzelner fängt an und nacheinander werden die Gruppierungen solange umgehängt, bis alle mit der Gruppierung einverstanden sind. Es empfiehlt sich, den Gruppen eine zusammenfassende Überschrift zu geben. Besprecht nun im Team, was der Konsens der jeweiligen Themengruppe ist. Berücksichtigt hierbei, ob es Anliegen einzelner Personen sind oder von großen Teilen des Teams. Es kann auch sein, dass nur ein Einzelner des Thema platziert hat, aber bei Folgediskussionen alle der Meinung sind, dass es sehr relevant ist.

Maßnahmen

Nun wird es konkret. Die Themen sollten nun entsprechend ihrer Priorität in konkrete Maßnahmen übergehen. Wenn ihr als Team z.B. festgestellt habt, dass ihr keine 2 Wochen-Sprints mehr machen möchtet, solltet ihr das Vorhaben definieren. Wie lange sollen die Sprints statt dessen dauern? Oder, wenn ihr als Team feststellt, dass ihr euch als Team zu wenig Face-to-Face seht, solltet ihr definieren, wie ihr stattdessen zusammenarbeiten möchtet? Wollt ihr zusammen in ein Büro ziehen, Euch täglich für 2h in einem Raum treffen… usw. Wichtig ist, dass sich das Team zu den definierten Maßnahmen commited. D.h. das Team steht hinter dieser Entscheidung. Und habt dabei keine Angst, die nächste Retrospektive um weitere Anpassungen an der Zusammenarbeit vorzunehmen, kommt bestimmt 😉

Retrospektive Quickie // Meine drei #Hashtags

Eine der schnellsten Retrospektiven ist, „…meine drei #Hashtags sind…“. Für den Fall, dass du nur einen schnellen Einblick in die Stimmung, den Sprintabschluss oder ein Blitzlicht-Feedback anstrebst. Wenn der Rahmen der Retrospektive gesetzt ist, bittest du alle Teammitglieder drei Worte zu nennen, die ihre Wahrnehmung hierzu beschreiben. Dies könnte zum Beispiel sein: #Schnell, #Effizient und #Holprig. Diese kannst du im Nachgang nochmal analysieren. Ggf. gibt es Mehrfachnennungen, die man im Team besprechen sollte.

Retrospective 3#Hashtags - Sketchnote - VITAMINP.info

Retrospective 3#Hashtags – Sketchnote – VITAMINP.info

Retrospektive Klassiker // Mad, Sad, Glad

Es kann hilfreich sein, in einer Retrospektive das Stimmungsbild im Team aufzuzeigen. Hierbei hilft der Klassiker „Mad, Sad, Glad“. Es werden hierbei die o.g. Phasen (Einstimmen, Daten sammeln, Einsicht gewinnen, Maßnahmen) durchlaufen. Was verbirgt sich hinter den Begriffen Mad, Sad, Glad? Folgende Fragestellungen helfen dir dabei, diese einzuordnen:

Retrospective Mad-Sad-Glad - Sketchnote - VITAMINP.info

Retrospective Mad-Sad-Glad – Sketchnote – VITAMINP.info

It drives me MAD: Was macht dich verrückt? Was sind aus deiner Sicht Zeitfresser? Was waren ungewollte Überraschungen? Welche Probleme hättest du dir oder dem Team lieber erspart?

It makes me feel SAD: Was lief nicht gut und hat dir den Tag versaut? Welche Konflikte sind zwischen Teammitgliedern aufgetreten? Welcher Umstand von außerhalb des Teams hat dich negativ beeinflusst?

I’m GLAD: Was war dein persönliches (oder vom Team) Erfolgserlebnis? Welchen Meilenstein hat das Team erreicht? Was hat dich glücklich gemacht? Welcher Impuls hat dich gepusht?

Bereite eine Wand mit den drei Überschriften vor. Erläutere die drei Themenfelder und dann gehts los mit der Sammlung. Nicht vergessen, bei den agilen Methoden (und Design Thinking) geht es immer ums Timeboxing. Also stell dir/euch den Wecker z.B. auf 10 min. zur Themensammlung. Die ganze Retrospektive sollte nicht viel länger als 1h dauern.

Dann viel Erfolg bei der Erkenntnisgewinnung! Ich hoffe, die Retrospektive bringt dein Team und dich näher zusammen.

Wie waren deine Erfahrungen mit den Retrospektiven? Welche Retrospektiven-Methode ist dein Favorit? Schreib mir doch einen Kommentar zu dem Thema.