Es ist immer noch Freitag Nachmittag an der Hochschule Ludwigshafen. Den 1. Teil des Design Thinking Praxis-Workshop, haben wir zusammen erarbeitet. Jetzt folgt der eigentliche Praxisteil. Anhand eines fiktiven Szenarios möchte ich die StudentInnen näher an das Design Thinking Mindset heranführen. Design Thinking ist meiner Meinung nach viel mehr als eine Kreativ-Methode. Design Thinking ist eine Einstellung, ein Mindset, oder vielmehr eine Haltung. Diese zu erfahren und selbst auszuprobieren, war nun meine Mission.

Kleiner Blick hinter die Kulissen. Die Vorbereitung für solch einem Workshop kann bereits kreativ geschehen; z.B. mittels einer Sketchnote zum kreativen Brainstorming.

Set the Stage // Design Thinking Praxis-Workshop

Mit der Design Thinking Theorie im Hinterkopf, skizzierte ich verbal das folgende Szenario. Es ging darum, sich vorzustellen, man habe ab jetzt ein eigenes Start-Up. Das Unternehmen ist die „Cookie GmbH“. Equipment, Backofen, Personal und ein Geschäft etc. sollte als gegeben angesehen werden. Was allerdings noch nicht existiert, ist die initiale Produktidee. Die Zielgruppe, das erste Produkt, der Vertrieb und die Vermarktung sind noch offen und soll nun entwickelt werden.

Im Vordergrund des Design Thinking Praxis-Workshops, steht das Schnelle entwickeln einer Idee und nicht die perfekte Lösung. Im Zweifel, so zeigt zumindest meine Erfahrung, steckt man zu viel Zeit in die Beschreibung und Entwicklung der Idee. Beim ersten Kundenkontakt ergeben sich in jedem Fall größere oder kleinere Änderungen, sodass die Ausarbeitung in jedem Fall angepasst werden muss. Somit ist meine wichtigste Empfehlung, den Fokus auf die Vermittlung der Idee zu setzen und nicht auf einer vermeintlich perfekten Lösung.

Design Thinking fokussiert auf die schnelle Entwicklung deiner #Idee und nicht auf die perfekte Lösung. #VITAMINP #DesignThinking Klick um zu Tweeten

Das Experiment beginnt

Auch für mich startete nun ein Experiment. Es war, wie gesagt, Freitag Nachmittag. Das Wetter schrie nach Freibad und ich will nun in einen interaktiven Teil übergehen. Es kommt hinzu, dass der anstehende Praxisteil, zeitlich mehr als sportlich ist. Ich hatte mir in den Kopf gesetzt, den StudentInnen in 45 min alle 5 Phasen des Design Thinkings mit je einem Beispiel selbst erfahren zu lassen. Das Ergebnis des 2. Teils sollte meine Erwartungen weit übertreffen. Aber dazu gleich mehr.

Design Thinking Impulsworkshop Praxis Konzept Sketchnote VITAMINP.info

Design Thinking Impulsworkshop Praxis Konzept Sketchnote VITAMINP.info

Empathize // Erkenntnisgewinn durch Interviews

Im Design Thinking Praxis-Workshop sind nun alle Unternehmer ihrer eigenen Cookie GmbH. Es fehlt lediglich das Produkt. Wie kommen wir nun dort hin? Eine Methode ist, via Interviews die potentiellen Kunden zu befragen. Gesagt getan.

Es werden Zweiergruppen gebildet, die sich gegenseitig interviewen. Als Leitfaden schildere ich die Idee, das Interview anhand eines „normalen“ Tagesablaufes durchzuführen. Vom Moment des Aufwachens, über die Tagesaktivitäten und die Mahlzeiten bis hin zum Schlafen gehen, sollen die Gewohnheiten und Bedürfnisse erfasst werden. Bei der Empathie Phase ist nicht nur wichtig zu hören, was gesagt wird, sondern auch zu verstehen, was nicht gesagt wurde. Mittels aktivem Nachfragen, „habe ich richtig verstanden dass…“, können weitere Bedürfnisse erkannt werden. Auch spielt die Körperhaltung und Körpersprache bei Interviews eine Rolle.

Alle Erkenntnisse werden auf einem Blatt notiert. Dieses Notizen dienen als Basis für die weiteren Phasen. Ein wichtiger Aspekt in dieser Phase ist, dass möglichst viel und breit Informationen gesammelt werden. Es soll noch nicht fokussiert bzw. gefiltert werden. Das kommt im weiteren Verlauf der Design Thinking Phasen.

Define // Ideenbeschreibung via Brainwriting

Die ersten Erkenntnisse haben wir nun gesammelt. Wir haben jetzt einen Eindruck über die Bedürfnisse, Vorlieben und Gewohnheiten des Kunden. Jetzt geht es darum diese Informationen zu verdichten. Es gilt zu erarbeiten, was die Zielgruppe ist und eine erste Produktidee zu erarbeiten. Hierzu verwenden wir die Brainwriting Methode. (Vgl. https://vitaminp.info/pitch-die-ersten-30-sekunden-entscheiden/)

Die Idee ist, 5er Gruppen zu bilden, die diese Übung absolvieren. Jede 5er Gruppe bildet somit eine Cookie GmbH. Das Brainwriting funktioniert wie folgt. Jede Person bekommt ein Blatt, welches fünf leere Felder beinhaltet. Zum Startzeitpunkt sind alle Felder leer. Jeder schreibt oben links in das Feld seine Produktidee rein. Dies sollte eine Kurzbeschreibung der Zielgruppe, das Bedürfnis und die Idee des Produktes beinhalten. Nach 3 min. wird das Blatt im Uhrzeigersinn weitergegeben. Im zweiten Durchlauf hat jeder ein Blatt, in dem ein Feld bereits mit einer Idee gefüllt ist. Diese Idee soll nun mit weiteren Ideen vervollständigt werden. Die eigene Idee liegt nun dem Sitznachbarn zur Verfeinerung vor. Nach 5 Durchläufen sollte das Blatt mit je einer Idee befüllt sein und insgesamt liegen jetzt pro Gruppe 5 Idee vor. Tipp: Ab dem 2. spätestens 3. Durchlauf kann die Zeit auch auf 2 min. reduziert werden.

Ideate // Brainstorming zur Ende-zu-Ende Idee

Im Design Thinking Praxis-Workshop wird jetzt einerseits fokussiert und andererseits weit gedacht. Als erstes muss sich jede Gruppe auf eine der 5 guten Ideen fokussieren. Nun ist Abstimmungskompetenz gefragt. Wer mal eine Alternative und demokratische Methode ausprobieren möchte, dem empfehle ich Systemisches Konsensieren.

Wenn die Auswahl getroffen ist, gilt es die Idee möglichst „Ende-zu-Ende“ zu beschreiben. Hierbei ist es für die Gruppe hilfreich, sich zu hinterfragen. Folgende Fragestellungen können dabei helfen:

  • Wie wird der Konsument auf das Produkt aufmerksam?
  • Was ist der USP (Unique Selling Point) des Produktes?
  • Wie kommt das Produkt zum Kunden?
  • Welcher Preis ist angemessen bzw. welchen Preis kann man erzielen?

Wie bei den anderen Übungen zählt Schnelligkeit. Sportliche 5 min. sollten die Gruppe von Nebensächlichkeiten abhalten und sie fokussiert arbeiten lassen. Solch knappe Zeitvorgaben zwingen dich auf deine erste Intuition (Bauchgefühl) zu verlassen. Bei längeren Zeitintervallen fängt man an, seine Ideen zu hinterfragen. Und sind wir mal ehrlich, unser Bauchgefühl liegt doch zu ca. 80% richtig.

In der Gestaltung und Notation war jede Gruppe frei. Sowohl Skizzen, Strichmännchen als auch Brainstorming-Maps sind geeignet. Hauptsache jedes Unternehmen (5er Gruppe) hat am Ende eine möglichst konkrete Beschreibung seiner Ende-zu-Ende Idee vorliegen.

Prototyping // Baue deine Idee

Bei dieser Übung habe ich gelernt, dass es gut ist, einen Plan zu haben. Man muss aber bereit sein, diesen on-the-fly zu adaptieren. So war es hier auch. Die Idee war, einen Papier Clickdummy/Prototyp einer Cookie App zu entwickeln. Hierzu hatte ich Paper-Prototype Templates mit Smartphone-Rahmen vorbereitet. So konnte sich jede Gruppe auf die inhaltliche Visualisierung konzentrieren.

>> Ein #Ziel ohne #Plan ist nur ein #Wunsch. << (Antoine de Saint-Exupéry) #VITAMINP Klick um zu Tweeten

Ein Großteil der Studentinnen und Studenten wollte lieber an einem Prototyp des Cookies selbst arbeiten. Da mir der Spaß, die Motivation und die Eigendynamik der Gruppe lieber war, als mein Plan, war mir der Wunsch natürlich Befehl. Ich stellte es somit frei, ob man lieber einen Paper-App-Clickdummy oder einen Cookie Prototyp baut.

Die Limitierung auf 5 min. zwang die Gruppen erneut, sich auf die Aufbereitung der Idee zu konzentrieren. Mögliche Unstimmigkeiten und Kritiken in der Gruppe, mussten somit zeitbedingt schnell behoben und gelöst werden. Ich war jetzt schon total begeistert, wie engagiert die StudentInnen an ihrer Idee bastelten. Besonders gespannt war ich auf den folgenden und letzten Schritt, die Tests.

Test // Jetzt mal Butter bei die Fische

Jetzt wird sich zeigen, wie die Idee beim Kunden ankommt. in dem Design Thinking Praxis-Workshop kommt jetzt der Test. Solch ein Test fordert zu den kreativen und diversen fachlichen Kompetenzen noch ganz andere Stärken. Wie gut kannst du mit Kritik umgehen? Knickst du sofort ein, wenn es mal Kritik hagelt? Oder kannst du diese objektiv aufnehmen und als neuen Anspruch in eine weitere Entwicklungs-Iteration einfließen lassen?

Auch hier wich ich von meinem Plan ab. In der Vorbereitung hatte ich mir Folgendes überlegt. Je zwei Gruppen stellen sich gegenseitig ihren Prototyp vor. So kann jede Gruppe einer anderen Gruppe ihr Ergebnis zeigen und das konstruktive Feedback geben üben. Es sollte aber anders kommen…

Ich ging während allen Übungen immer wieder zu den Gruppen und bot (gefragt oder ungefragt) meine Hilfe an. So hatte ich einen perfekten Eindruck von den Ideen, Fortschritten und den individuellen Ergebnissen selbst. So kam ich während der Prototyping Übung zu dem Schluss, dass jeder jede Idee sehen muss. Warum also nicht jede Gruppe Pitchen lassen!

Die Zeit war bereits etwas fortgeschritten und ich wollte lieber das Momentum beibehalten. Sie waren alle so euphorisch am Vorbereiten, dass ich die Gruppe lieber mit Fokus auf den Spaß weiter pushen wollte, als noch Feedback geben zu üben. Ich stellte jeder Gruppe frei, was und wie sie ihre Ergebnisse vortragen wollten. Lediglich der Zeitrahmen von 2-3 min. war vorgegeben.

Ab jetzt war ich vollkommen geflasht. Spätestens bei der Frage, wer aus der Gruppe den Pitch macht, dachte ich, sie verlieren sich in Diskussionen voller Ausreden. Meine Angst war, dass sie sich nicht auf eine Person einigen können und so gar nicht zu dem Pitch selbst kommen. Das Gegenteil war der Fall! In Sekunden, war geklärt, wer den Pitch vorstellt und innerhalb von wenigen Minuten war jeder bereit. Wow…!

Liebe Studentinnen und Studenten der Organisationslehre Vorlesung von Stephan Weinert an der Hochschule Ludwigshafen, ihr habt mich echt beeindruckt! Vorgestellt wurden folgende Pitches:

  • App-Flow Prototypen für einen Cookie Generator mit integriertem Online-Shop
  • Der Cookie mit Krümel-Schutz-Stiel, für das Cookie-Essen auf dem Bett
  • Der Cookie mit dem „Hallo wach“ Effekt in der Dose in Cooperation mit Red-Bull
  • Der „Gesundheits-Keks“ als Transportmittel für Tabletten oder medizinische Flüssigkeiten

Wahnsinn, ich war echt beeindruckt welche großartigen Projekte im Design Thinking Praxis-Workshop in nur 45 min. von der Idee bis zum Prototyp konzipiert, gestaltet und vorgestellt wurden.

Ich könnte gar nicht sagen, wer mit einem größeren Glücksgefühl ins Wochenende gegangen ist. Die Studentinnen und Studenten, mit ihrem evtl. ersten Pitch einer Produktidee. Oder ich, der mehr als glücklich war, über die großartige Mitarbeit, Motivation und Spaß der Studentinnen und Studenten der Hochschule Ludwigshafen.

Ich kann am Ende nur sagen – DANKE! … und gerne wieder 😉

Christopher