Die Vorbereitung

Yeah,… ich hatte wieder die Gelegenheit, jungen Studenten von der spannenden Arbeit eines Produkt- und Projektmanagers zu erzählen. Prof. Stephan Weinert fragte mich, ob ich in seiner Vorlesung Organisationslehre, an der Hochschule Ludwigshafen, einen Praxisvortrag halten möchte. Da musste ich nicht lange überlegen und habe direkt zugesagt. Das Thema Design Thinking, war schnell gefunden. Neben der Aktualität, ist es ein wichtiges Thema für alle Lehr- und Lebensbereiche und hat mit seiner Charakteristika, der interdisziplinären Zusammenarbeit, einen besonderen Bezug zu der Organisationslehre. Los gehts mit einem Einblick in die Design Thinking Theorie.

Los geht’s

Es ist Freitag Nachmittag 14 Uhr. Die Studenten sind im Suppenkoma und denken an das verdiente Wochenende. Gute Startbedingungen für einen Gastvortrag. 😉 Mein (hoffentliches) Ass im Ärmel, war der praktische Teil der Design Thinking Session. Hierzu später mehr…

Erstmal eine kurze Einführung in die Design Thinking Theorie. Was ist Design Thinking? Design Thinking ist eine interdisziplinäre und eine organisationsübergreifende kreative Methode zur Problemlösung und/oder Ideenentwicklung. Design Thinking ignoriert in gewisser Weise die Organisationsform und orientiert sich an dem Anwender/User/Kunden. Im Mittelpunkt der Methode, steht der Mensch bzw. die Persona, für die eine Idee/Produkt entwickelt werden soll.

Was genau ist interdisziplinär? Ein interdisziplinäres Team setzt sich aus diversen Rollen bzw. Fähigkeiten von Personen zusammen. Es gibt meiner Meinung nach kein generelles Set an Fähigkeiten im Team. Der Mix an sich macht es aus. Zumal die Ideal-teamzusammensetzung je nach Problem/Ausgangssituation variiert. Logischerweise empfiehlt es sich, z.B. bei dem Ziel eine App zu entwickeln, mindestens einen Softwareentwickler im Team zu haben. Weitere Beispiele für möglicherweise interessante Rollen/Fähigkeiten sind:

  • Visual Design
  • Einkäufer
  • Tester
  • System Experten
  • Netzwerkspezialisten
  • Marketing
  • Physiker

Nicht zu unterschätzen sind ggf. auch technologisch oder thematisch fremde Rollen wie z.B.

  • Fußballtrainer
  • Psychologen
  • Floristen/Gärtner
  • Erzieher

Je bunter und „themenfremder“ das interdisziplinäre Team, je höher ist meiner Meinung die Wahrscheinlichkeit für eine disruptive und innovative neue Idee/Lösung.

Der weitere Schwerpunkt ist die Haltung. Um die Idee des Design Thinkings anzuwenden, benötigt man eine gewisse Haltung. Nach meiner Erfahrung, sind die Folgenden für ein kreatives Ergebnis und gutes Teamwork elementar:

  • Offenheit // Unvoreingenommen Eindrücke aufnehmen zu können
  • Neugier // Bekanntes wie unbekanntes gleichermaßen erkunden
  • Empathie // Sich in Personen reinversetzten und verstehen
  • Kommunikation // Mit Menschen in einen echten Dialog treten und aktiv zuhören
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Do it! Das Mindset zählt

Der wichtigste Punkt von Design Thinking ist das Mindset. Du brauchst das Mindest etwas machen und bewegen zu wollen. Die beste Methode und die größten Experten im Team bringen nichts, wenn du nicht den Willen hast, etwas zu schaffen. JUST DO IT – muss deine Devise sein.

Ich erlebe bei meinen Kindern immer wieder, dass sie mit ihren sechs Jahren alles hinterfragen und vieles noch frisch und unvoreingenommen kennenlernen. Das ist eine Wahrnehmung die wir Erwachsenen großteils uns selbst abtrainiert haben. Wir kennen bereits vieles oder nehmen es als selbstverständlich hin. Das Hinterfragen von alltäglichen Dingen müssen wir erst wieder lernen. Versuche wieder mit Kinderaugen zu sehen.  Warum kommt das Wasser aus dem Wasserhahn? Was passiert mit der Wäsche in der Waschmaschine? Warum fährt das Auto, wenn man unten auf ein Pedal tritt? Warum kann ein Luftballon fliegen? Nur wenn wir die Dinge in ihrem Ursprung hinterfragen, können wir sie wirklich verstehen und neu entwickeln.

Wenn du dich selbst oder eine andere Person nach dem Warum fragst, gib dich mit der ersten Antwort nicht gleich zufrieden. Nicht selten, ist die erste Antwort nicht „die Richtige“. D.h. sie ist nicht die eigentliche Ursache für ein Verhalten oder ein Bedürfnis. Ich versuche es in einem Bsp. zu schildern.

Du interviewst einen Passanten am Bhf. und hinterfragst sein aktuelles Bedürfnis. Die erste Antwort ist, evtl. ein pünktlich fahrender Zug. Beim weiteren Hinterfragen, wünscht sich die Person evtl. eine schnellere Verbindung zu ihrem Zielort. Nach zwei weiteren Nachfragen, kommt die Person zu ihrem eigentlichen Wunsch – Ein Job in der Nähe ihres Wohnortes. Ich will damit aufzeigen, dass die erste Antwort auf eine „Warum“-Frage, nicht das eigentliche Problem umschreibt. Manche Experten empfehlen das Problem mit 5 x „Warum…“ zu Hinterfragen. Die Kinder machen es uns vor… 😉

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In der Design Thinking Theorie gibt es 5 Phasen, die den Prozess beschreiben. Diese beschreibe ich im Folgenden in Kürze.

Empathie

Empathie ist die Grundlage für „human-centred“ Design! Das Hinterfragen selbst, habe ich im vorigen Absatz bereits skizziert. Versuche im Dialog die Person aus folgenden, unterschiedlichen Gesichtspunkten wahrzunehmen:

  • Zuhören // Höre auf die gesprochenen Wörter
  • Fühlen // Was nimmst du emotional war?
  • Denken // Was könnte die Person hierzu denken?
  • Tun // Was macht die Person?

Schreibe Dir alle Erkenntnisse im ersten Schritt >bewertungsfrei< auf. Ziehe noch keine Schlüsse. In der ersten Phase Empathize geht es um die Aufnahme aller Erkenntnisse bzw. Informationen. Eine einfach Methode hierzu ist das Interview. Den „normalen“ Tagesablauf einer Person zu besprechen,kann ein guter Anhaltspunkt sein, für erste Erkenntnisse.

Define

In der zweiten Phase geht es um eine erste Informationsverdichtung. Finde Muster und Verhaltensweisen aus der Empathie Phase. Leite daraus Bedürfnisse und deine Zielgruppe ab.

Fokussiere dich auf eine Zielgruppe und ein Problem, welches du lösen möchtest.  Finde Gemeinsamkeiten der vergangenen Interviews. Leite daraus potentielle Lösungen ab. Ein Lösung für das eingangs beschrieben Bsp. mit dem Passanten am Bhf. könnte eine lokale Jobbörse sein. Beginne die Zielgruppe genauer zu definieren. Folgende Fragestellungen können dir dabei helfen:

  • Wie alt ist die Zielgruppe?
  • Was ist der Verdienst?
  • Gibt es regionale Einschränkungen?
  • Was sind deren lieblings Devices/Geräte?
  • Wie technisch affine ist die Zielgruppe?
  • Wie sieht ein durchschnittlicher Tagesablauf aus?

Je konkreter du die Zielgruppe beschrieben hast, je einfach und nachvollziehbarer ist es für dich eine mögliche Problemlösung zu beschreiben. Frage dich bei der Lösungsformulierung, was die Zielgruppe als Vorteil von der Lösung hat? Wie hilft sie ihr/ihm den Alltag zu gestalten?

Ideate

Jetzt ist wieder Weitblick gefragt. Du hast eine Idee für ein Problem vor Augen, aber wie kommst du dahin? Welche Lösung ist notwendig, um das Ziel zu erreichen?

Es ist wieder die Kreativität von dir und deinem Team gefragt. Es gilt Lösungswege zu erarbeiten. Ggf. hilft dir eine Art Mission-Statement für das Ziel. Sind dir bei der Lösungsentwicklung Dinge wie Nachhaltigkeit, Qualität, Naturverträglichkeit, Schnelligkeit, Preis wichtig? Dann schreibe sie auf. Sie geben dir Leitplanken für die weitere Gestaltung.

Beschreibe genau den Use Case (Anwendungsfall), für welchen du eine Lösung erarbeiten willst. Aus deiner Vision können mehrer Use Cases resultieren. Zu Beginn empfiehlt es sich, auf einen zu konzentrieren. Welcher ist der Wichtigste? Speichere alle möglichen Use Cases aus, mache eine Liste und priorisieren sie.

Noch ein Tipp. Schränke dich bei der Lösung nicht auf zu viele Details ein. Noch weißt du noch nicht, ob du überhaupt auf dem richtigen Weg bist. Bislang hast du nur eine Idee und arbeitest mit Hypothesen. Die Methode Design Thinking lebt von der Schnelligkeit. In einer frühen Phase deiner Idee/Produktentwicklung würde ich eher auf deinen Bauch hören und eine 80% Lösung (vgl. Pareto Prinzip) verfolgen.

Prototype

Jetzt gilt es die Idee umzusetzen. Raus aus der Design Thinking Theorie. Baue eine ersten >schnellen< Prototyp. Ein Kernelement von Design Thinking ist die Schnelligkeit. Es zählt beim Design Thinking Ansatz nicht die Perfektion, sondern die schnelle Lösung und der schneller Erkenntnisgewinn. Dein Leitsatz sollte sein:

Fail fast, fail cheap - #DesignThinking #Mindset Klick um zu Tweeten

Für den Prototyp ist jede Form erlaubt. Es spielt keine Rolle ob du eine Demo aus Papier, Lego-Bausteinen, , Holzklötzchen, Pfeifenreinigern, einen Clickdummy als App oder eine klassische Powerpoint gestaltest. Wichtig hierbei ist nur, dass du damit deine Idee gut transportieren kannst, weitere Erkenntnisse sammeln und Rückschlüsse für die Weiterentwicklung ziehen kannst. Primär gilt es zu erproben, ob Deine Idee überhaupt einen Markt hat und ein Bedürfnis erfüllt.

Nicht selten läuft die Produktentwicklung in die Falle und an Kundenbedürfnissen vorbei. Jemand hat eine Idee und ist davon überzeugt. Dass diese Idee im Markt keinen Anklang findet, ist nicht denkbar. Nach der Fertigstellung, bleibt sie aber in den Verkaufsregalen liegen. Schuld ist in solchen Fällen nicht das Marketing, sondern, dass man vergessen hat vorher den/die Kunden zu Fragen. Design Thinking bezieht den Kunden/die Zielgruppe bereits in die Produktentwicklung mit ein.

Mit Hilfe von Prototypen kann schnell eine Lösung erprobt werden. Ein Prototyp kann eine Möglichkeit sein, um einen fehlenden Plan für eine Lösung zu finden. Will man z.B. eine Tasse für Linkshänder entwickeln, kann ggf. der Henkel im Vorfeld nicht genau definiert werden, da die Erfahrung fehlt. Hier hilft die Gestaltung eine Prototyps z.B. mit Gips. So kannst du eine Form gestalten und immer wieder verproben, bis sie für die Zielgruppe perfekt ist.

Test

Jetzt wird es ernst. Jetzt kommt die Wahrheit. Bislang hast du mit Annahmen deine Idee verfolgt. Am Ende hast du einen Prototyp gebaut um deine Idee zu veranschaulichen. Nun wird die Idee auf die Probe gestellt.

Stell dich vor dem Test mit den Kunden darauf ein, dass es Kritik hagelt. Einigen wird deine Lösung nicht gefallen oder sie werden einiges vermissen. Lass dich davon nicht unterkriegen oder entmutigen. Denk dran, dass jede Kritik die du frühzeitig geschenkt bekommst, dir bares Geld spart. Würdest du die Kritik erst bekommen, wenn dein Produkt auf dem Markt ist, wäre das sehr sehr teuer. Es ist immer besser früh zu scheitern, als wenn die Massenproduktion auf falschem Stolz angelaufen ist. Also sehe die Kritik als ein Geschenk.

Baue den Prototyp als wärst du auf dem richtigen Weg, aber Teste als wärst du falsch unterwegs! #DesignThinking Klick um zu Tweeten

Beim Testen gilt, wie in der Empathie-Phase, gut zuhören. Erkläre deine Idee, veranschauliche dein Produkt und höre gut zu, was an Feedback kommt. Was sagt der Proband, was könnte er denken und was macht der Proband mit dem Produkt? Gibt es Handlungsstränge die ins Leere führen? Von was ist er/sie begeistert? Was wird vermisst?

Der Prototyp ist noch nicht perfekt. Soll ich lieber den Test verschieben? Ich persönlich würde sagen, wenn der Prototyp einigermaßen die Idee vermittelt, mach den Test. Es geht um schnellen Erkenntnisgewinn und nicht um eine perfekte Gestaltung des Prototyps, der ggf. das Test-Feedback nicht überlebt.

Am Ende des Tests kommt es auf dich und dein Team an, die Erkenntnisse in die nächste Iteration einfließen zu lassen.  Was kam gut an, was muss verbessert werden? Wurde der Use-Case verstanden? War die Bedienung intuitiv? Hast Du die richtige Zielgruppe interviewt? Musst du ggf. die Idee adaptieren?

 

… und jetzt die Praxis

Ich hoffe ich konnte einen Eindruck der Design Thinking Theorie vermitteln. Jetzt käme der Praxisteil des Impulsvortrags, welchen ich an der Hochschule Ludwigshafen gehalten habe. Da dieser Artikel, bereits eine fortgeschrittene Größe annimmt, habe ich mich entschlossen, ihn aufzuteilen. Den Praxisteil, die Übung die die Studenten entlang der Design Thinking Phasen durchgeführt haben, kannst du in kommendem Artikel nachlesen.

Wie sind deine Erfahrungen mit Design Thinking? Hab ich einen für dich wichtigen Aspekt vergessen?